CORONA-KITA-POLITIK NICHT AUF ANGST SONDERN AUF WISSENSCHAFT BAUEN

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Der Landeselternausschuss der Kitas in RLP (LEA) hat sich nach einem Experten-Hearing dafür ausgesprochen, die Corona-Politik für die Kitas weiterhin mit Augenmaß zu gestalten. „Es darf nicht sein, dass wir aus Angst Kitas zu stark einschränken und damit dem Kindeswohl schweren Schaden zufügen“, so LEA-Vorsitzender Andreas Winheller nach einer Veranstaltung mit der medizinischen Sachverständigenkommission der Landesregierung.

Am Donnerstag, den 17.2., hatten sich die Corona-Experten der Landesregierung für zwei Stunden den über 50 Delegierten aus den Kreis- und Stadtelternausschüssen aus ganz Rheinland-Pfalz gestellt. Dabei beantworteten Prof. Dr. Fred Zepp, Prof. Dr. Bodo Plachter und Dr. Wolfgang Kohnen die insgesamt 42 Fragen, die aus den Kreisen und Städten eingereicht worden waren.

„Das war für uns eine ganz wertvolle Erfahrung, aus erster Hand von den Experten der Universitätsmedizin Mainz die wissenschaftlichen Fakten zur Infektion, zur Teststrategie und zu Hygienemaßnahmen zu erfahren. Denn wissenschaftlich betrachtet spricht alles für eine Kita-Politik mit Augenmaß“, fasst LEA-Vorsitzender Winheller die Ergebnisse der Sitzung zusammen.

Besonders wichtig sei gewesen, zu hören, dass aus Expertensicht insbesondere die gesundheitlichen Gefahren für die Kita-Kinder sowohl bei einer akuten Infektion als auch in diskutierten Langzeitfolgen nicht besonders groß seien – insbesondere auch im Vergleich mit anderen Viruserkrankungen, die in dieser Altersgruppe auftreten und längst zur Normalität geworden sind. In Elternforen heftig diskutierte Folgeerscheinungen wie PIMS oder eine erhöhte Rate an Diabetes Typ 1-Neuerkrankungen verlören ihren Schrecken, wenn man die wissenschaftlichen Hintergründe und Studienergebnisse berücksichtige.

„Für uns ist in der Veranstaltung nochmal deutlich geworden, dass die Ablehnung von anlasslosen Massentestungen in den Kitas oder gar einer Testpflicht durch den LEA wissenschaftlich gut begründet ist. Insbesondere die populistischen Debatten um die Testpflicht in Teilen der Politik sind mit Blick auf das Kindeswohl unverantwortlich“, so LEA-Vorsitzender Winheller. Denn das Testen selbst verhindert keine Infektion, sondern dokumentiert nur das Infektionsgeschehen. Tatsächlich verhindert werden könnten Infektionen nur durch sehr strikte Isolationsmaßnahmen, die den Kindern aber wesentlich schwereren Schaden zufügen würden als die im Regelfall unkompliziert verlaufenden SARS-CoV-2-Infektionen. Auch dann wäre übrigens noch fraglich, ob die Infektionen wirklich vermieden oder nur zeitlich verschoben würden.

Dies zeige auch die zufällig zeitgleich zum Expertenhearing des LEA veröffentlichte 7. Stellungnahme des Corona-Expertenrates der Bundesregierung, die von „drastischen und scheinbar willkürlichen“ Regeln für Kinder und Jugendliche während der Corona-Zeit spricht.

Der Corona-Expertenrat der Bundesregierung verlangte in dieser Stellungnahme, bei allen Maßnahmen „vorrangig das Kindeswohl zu berücksichtigen“. Genau diese Forderung hatten auch die Experten der Landesregierung im Experten-Hearing des LEA gestellt und deshalb insbesondere die Absonderungsregelungen in den rheinland-pfälzischen Kitas als gute Balance zwischen den verschiedenen Zielen und Maßnahmen aus wissenschaftlicher Sicht bezeichnet.

„In dem Hearing ist seitens der Experten ganz klar geworden, dass sich niemand absichtlich infizieren sollte – aber die Infektion von Kita-Kindern auch nicht um jeden Preis verhindert werden muss. Denn manche Maßnahmen, wie zu strenge Absonderungsregeln oder eine off-label Impfung von gesunden Kitakindern ohne Verfügbarkeit eines für das Alter zugelassenen Impfstoffes und Vorliegen einer Stiko-Empfehlung, sind im Vergleich mit dem Nutzen, den sie den Kindern bieten, absolut unverhältnismäßig.

Und klar ist: Jetzt müssen endlich die Kinder und das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen, nachdem sie sich bereits zwei Jahre im Wesentlichen zugunsten der vulnerablen Gruppen eingeschränkt haben. Das erfordert eine Kita-Politik mit Verstand und Augenmaß statt Angst und Polarisierung“, fasst Winheller die Forderungen des LEA zusammen. „Die Erwachsenen haben es selbst in der Hand und sind selbst verantwortlich, durch eine Impfung für ihren eigenen Schutz zu sorgen. Diese Verantwortung darf nicht den Kita-Kindern übertragen werden, denn sie waren und sind nicht Treiber der Pandemie.“

STELLUNGNAHME ZU DEN GESUNDHEITLICHEN RISIKEN EINER INFEKTION MIT DEM CORONA-VIRUS IN DER KINDERTAGESBETREUUNG

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Nachdem es am 17.02.2022 ein Experten-Hearing mit den medizinischen Experten der Landesregierung RLP gab und am Wochenende darüber mit einer Pressemitteilung informiert wurde, haben die Kolleginnen und Kollegen der Landeselternvertretung NRW den LEA RLP informiert, dass auch dort inzwischen ein solches Hearing (dort veranstaltet vom Ministerium)  mit dortigen Experten stattgefunden hat. Zu diesem Hearing gibt es eine kurze schriftliche Stellungnahme der Experten, über die wir informieren möchten.

Die folgenden Fragen werden beantwortet durch die Expertinnen und Experten:

  • Dr. med. Folke Brinkmann, Oberärztin und (komm.) Leiterin der Abteilung Pädiatrische Pneumologie in der Universitäts-Kinderklinik des Katholischen Klinikums Bochum, berufen in den Experten-Beirat des Robert-Koch-Instituts (RKI)
  • Prof. Dr. med. Tobias Tenenbaum, 1. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie und Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Sana Klinikum Lichtenberg
  • Prof. emeritus Dr. med. Dr. h.c. Martin Exner, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, ehemaliger Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit des Universitätsklinikums Bonn,
Wie gefährlich ist eine Corona-Infektion mit der Omikron-Variante für Kinder?

Prof. Dr. Tenenbaum: Schwere Verläufe bei Kindern sind nach bisheriger Studienlage und den vorliegenden Daten die absolute Ausnahme. Eine Infektion mit dem Coronavirus bedeutet gerade im Kindesalter nicht automatisch, dass ein Kind auch an Covid19 erkrankt. Bei vielen Kindern verläuft die Infektion symptomlos. Die, die erkranken, haben in aller Regel einen milden Verlauf mit grippalen Symptomen wie Husten und Schnupfen, oftmals ähnlich wie bei anderen uns bekannten Atemwegsinfektionen. Dies bestätigen auch aktuelle Erhebungen unserer Fachgesellschaft zum Aufenthalt von Kindern in Krankenhäusern. 60{c4c0c13e6df5a0ef03880d0ed3a164bf00d09a8777f925183651539d197e8317} der Kinder mit einer Corona-Infektion in Krankenhäusern sind Kinder unter einem Jahr, oft, weil Säuglinge zur Abklärung von Symptomen eher in ein Krankenhaus gebracht werden. Die allermeisten Kinder verlassen das Krankenhaus auch bereits wieder nach einem oder zwei Tagen Aufenthalt. Zudem gibt es eine Vielzahl an Fällen von Kindern, die zwar mit einer Corona-Infektion in ein Krankenhaus eingeliefert werden, nicht aber wegen einer Covid-19-Erkrankung, die Infektion also gar nicht der Auslöser für den Krankenhausaufenthalt war.

Wie stellt sich aus Ihrer Sicht das Risiko für die Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen und für Kindertagespflegepersonen dar?

Prof. Dr. Tenenbaum: Wichtig ist, dass die Beschäftigten den vollen Immunschutz haben. Die vollständige Impfung incl. Boosterung stellt einen wirksamen Schutz gegen einen schweren Verlauf dar. Lediglich Ungeimpfte und Menschen mit Risikofaktoren für ein schlechtes Impfansprechen tragen weiterhin ein besonderes Risiko für einen schweren Verlauf. Dies bedeutet aber nicht, dass der ein oder andere Omikron-Infizierte ohne Risikofaktoren zu Hause für einige Tage das Bett hüten muss und als Betreuerin bzw. Betreuer in der Kita ausfällt.

Welche Risiken bestehen durch PIMS und Long Covid für Kinder?

Dr. Brinkmann: Long-Covid spielt bei Kindern, im Gegensatz zu Erwachsenen, eine vergleichsweise geringe Rolle. Die bisherige Studienlage legt nahe, dass nur sehr wenige Kinder im Vorschulalter ein Long-Covid Syndrom entwickeln , und die Symptome in den allermeisten Fällen spätestens nacheinigen Monaten abgeklungen sind. Ebenso ist auch das einige Wochen nach SARS- CoV-2 auftretende schwere Entzündungssyndrom PIMS (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome) ein sehr seltenes Phänomen und tritt eher bei Schulkindern auf. Kinder im Vorschulalter sind seltener betroffen.

Welche Nachteile ergeben sich aus Einschränkungen oder gar Schließungen von Betreuungsangeboten?

Prof. Dr. Tenenbaum: Einschränkungen im sozialen Leben der Kinder führten als Folge der Lockdown-Maßnahmen gerade auch im Kinder- und Jugendalter vermehrt zu Adipositas, seelischen Erkrankungen und Suchtverhalten. Diese Risiken übersteigen die gesundheitlichen Risiken einer Corona-Infektion im Kinder- und Jugendalter um ein Vielfaches.

Prof. Dr. Exner: Die uns bislang vertrauten Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus zielten zunächst darauf ab, die Ausbreitung des SARS-CoV-2 einzudämmen (Containment bzw. Eingrenzung). Im jetzigen Verlauf der Pandemie mit der sich in der Bevölkerung stark ausbreitenden Omikron-Variante bei milderen Krankheitsverläufen lässt sich die Virusausbreitung nur noch bedingt kontrollieren. Es geht jetzt darum, die Folgewirkungen zu minimieren (Mitigation bzw. Folgenminimierung) und die vulnerablen Gruppen wie alte Menschen und durch Grundkrankheiten gefährdete Personen in unserer Gesellschaft gezielt und mit hoher Priorität zu schützen (Protection bzw. Schutz der Vulnerablen). Kinder selbst zählen – siehe Ausführung von Tenenbaum und Brinkmann – mit wenigen Ausnahmen nicht zu den erkrankungsgefährdeten Gruppen unserer Bevölkerung. Sie können sich infizieren, erkranken jedoch in der Regel gar nicht oder nur milde. Durch die jetzige Verfügbarkeit wirksamer Impfstoffe für Erwachsene, d. h. für Eltern, Großeltern und Betreuerinnen und Betreuer als Schutz vor Erkrankung und die grundsätzlich geringere Krankheitslast der Omikron-Variante müssen Einschränkungen im Bereich der Kindertagesbetreuung zu Lasten der Kinder vor dem Hintergrund der erheblichen sozialen, psychischen und physischen Lasten durch Schließungen kritisch hinterfragt werden. Stattdessen sollten bei Erwachsenen, den Betreuerinnen und Betreuern, den Eltern sowie den in der Hausgemeinschaft Lebenden für die Vervollständigung der Grundimmunisierung plus Boosterung geworben werden. Zusätzlich sollten in den KiTas seitens der Betreuerinnen und Betreuer alle Hygienemaßnahmen wie Tragen von Mund-Nasenschutz und richtige Lüftung ausgeschöpft werden.

Stellt eine präventive Testpflicht für Kinder in der Kindertagesbetreuung eine wirksame Maßnahme dar?

Prof. Dr. Exner: Eine allgemeine, präventive, anlasslose Testung in allen Angeboten der Kindertagesbetreuung muss auch vor dem Hintergrund der Verknappung der PCR-Tests und der nicht mehr sinnvollen Fortsetzung der Containment-Strategie (Versuch der Eingrenzung durch Erfassen jeder einzelnen Infektion) ebenso kritisch hinterfragt werden. Erzieherinnen und Erzieher sollten regelmäßig mit qualifizierten AntigenTests, z.B. vor Dienstschluss in Verantwortung der Träger untersucht werden, da ihnen als potentielle Verbreiter Bedeutung zukommt und durch das zeitnahe Vorliegen des Untersuchungsergebnisses auch organisatorische Planungen möglich sind. Die regelmäßige anlasslose Untersuchung der Kinder sollte entsprechend dem o.a. notwendigen Strategiewechsel zugunsten einer Untersuchung symptomatischer Kinder durch die Eltern aufgegeben werden.
Eine Testung der Kinder in der jeweiligen Gruppe der KiTa ergibt aber dann Sinn, wenn es nachweislich einen Infektionsfall in einer Gruppe bzw. Einrichtung gab, um ein infiziertes Kind zu isolieren und dadurch die Übertragungsgeschwindigkeit zu reduzieren. Kontaktpersonen können weiter in den Einrichtungen verbleiben und sollten bei Symptomen ebenso getestet werden.